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Mentale Immunität: Alles über das neu entdeckte Immunsystem in Deinem Kopf

    Mentale Immunität

    Neue Forschungen zeigen: Du verfügst nicht nur über ein Immunsystem für Deinen Körper, sondern auch über ein Immunsystem für Deinen Verstand.

    In diesem Artikel erfährst Du, was dahintersteckt, wie dieses mentale Immunsystem funktioniert und wie Du Dich gegen schädliche Informationen „impfen“ kannst. Und keine Angst: Diese Impfung tut weder weh noch hat sie Nebenwirkungen. 😉

    Auf das darfst Du Dich in diesem Artikel freuen

    Definition „mentale Immunität“

    Das Konzept der mentalen Immunität ist eine psychologische Theorie, die man auch als kognitive Immunologie bezeichnet. Dieses Forschungsgebiet befasst sich damit, dass es nicht nur ein Immunsystem für den Körper gibt, sondern auch ein Immunsystem für den Verstand.

    Die Forschung zu diesem mentalen Immunsystem reicht bis in die 1950er-Jahre zurück. In einer Reihe von Experimenten zeigte der Sozialpsychologe William James McGuire, dass der Kontakt mit einer abgeschwächten Form eines Arguments eine Art Immunität gegen stärkere Versionen desselben Arguments verleiht. Ihm fiel die Ähnlichkeit zur körperlichen Impfung auf. (Immunologen impfen unseren Körper, indem sie ihn abgeschwächten Formen gefährlicher Krankheitserreger aussetzen, und unser Körper reagiert darauf, indem er eine Immunität gegen stärkere Versionen derselben Krankheitserreger entwickelt.)

    McGuire hatte den ersten eindeutigen Beweis für das mentale Immunsystem gefunden. Er bezeichnete seine Erkenntnisse als „Inokulationstheorie“.

    Das mentale Immunsystem

    Professor Andy Norman, Leiter des Bereichs Humanismus an der Carnegie Mellon University, führte die Forschungen und Erkenntnisse von McGuire weiter und begründete den Begriff der „mentalen Immunität“.

    Heute wissen wir, dass das mentale Immunsystem ähnlich wie das physische Immunsystem des Körpers funktioniert. Das physische Immunsystem hat die Aufgabe, Krankheitserreger wie Bakterien und Viren aufzuspüren und diese aus unserem Blutkreislauf und unserem Organismus zu entfernen, bevor sie eine Chance haben, Schaden anzurichten. In ähnlicher Weise erkennt ein gesundes mentales Immunsystem schädliche Informationen, die in unseren Verstand eindringen, sodass es sie umgehend abwehren kann.

    Die Vorteile der mentalen Immunität

    Sowohl gesicherte Fakten als auch Falschinformationen können sich heute viel schneller verbreiten als je zuvor. Wir haben Zugang zu ständigen Echtzeit-Updates von Online-Nachrichtenplattformen sowie zu Informationen, die Menschen über soziale Medien und unkontrollierte Webseiten verbreiten. Während die große Menge an sachlicher Information ein Vorteil ist, können Falschinformationen und die Unfähigkeit, diese Falschinformationen zu erkennen, zu einer schlechten Entscheidungsfindung führen.

    (Lies dazu auch meinen Artikel „Die kaum bekannte Gefahr beim Nachrichtenkonsum: Was Professoren und Wirtschaftsgrößen Dir jetzt raten“.)

    Professor Sander van der Linden vom Fachbereich Psychologie der Universität Cambridge veröffentlichte eine Studie, die zeigte, wie die Öffentlichkeit vor Falschinformationen zum Thema Klimawandel geschützt werden kann. In der Studie stärkte Professor van der Linden die mentale Immunität der Teilnehmenden gegen Falschinformationen, indem er die Teilnehmenden präventiv davor warnte, dass es politisch motivierte Versuche geben werde, ihnen Falschinformationen über die globale Erwärmung unterzujubeln. Die Studie zeigte, dass diese Warnung ein wirksames Mittel war, um die Immunität gegen Falschinformationen zu stärken.

    Das Konzept der mentalen Immunität kann auch missbraucht werden

    Rhetorisch geschickte Manipulatoren schaffen es, dass Menschen selbst gegen Informationen immun werden, die der Wahrheit entsprechen. Konkret: Menschen mit schlechten Absichten können das Konzept der mentalen Immunität nutzen, um den Verstand anderer Menschen zu „hacken“. Und genau das ist es, was Ideologen, Demagogen, Sektenführer und Verschwörungstheoretiker tun: Sie hacken die mentalen Immunsysteme und manipulieren die Menschen. Zahlreiche Beispiele dafür sahen wir während der Coronapandemie.

    In solchen Fällen wird das mentale Immunsystem mobilisiert, um den Irrglauben zu schützen und die korrekten Informationen, die ihn zu ersetzen drohen, abzuwehren.

    Wie Du Dein mentales Immunsystem stärkst

    Du kannst Deine mentale Immunität erhöhen, indem Du Deinen Verstand widerstandsfähiger gegen Falschinformationen machst. Um beim Vergleich von oben zu bleiben: Diese Strategien funktionieren ähnlich wie eine Impfung: Sie unterstützen Deinen Verstand dabei, die Gefahr von falschen Informationen zu erkennen.

    Die folgenden drei Vorgehensweisen haben sich dabei bewährt:

    1. Schaffe ein Bewusstsein für Falschinformationen

    Menschen verbreiten Falschinformationen aus den unterschiedlichsten Gründen. So geben sie Falschinformationen manchmal unbewusst in alltäglichen Gesprächen weiter. Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Verbreitung falscher Informationen oft aus politischen Gründen oder zur Polarisierung, zur Erzielung von Einnahmen für Medienunternehmen, als persönliche oder kommerzielle Form der Propaganda oder als Ergebnis von Algorithmen in sozialen Medien erfolgt.

    Behalte stets im Hinterkopf, dass Falschinformationen weitverbreitet sind, dass Fake News den Anschein der Echtheit erwecken sollen, und übe Dich darin, die Informationen, die andere Dir präsentieren, zu hinterfragen. Dies wird dazu beitragen, dass Dein Verstand resistenter gegen Falschinformationen wird.

    Das hilft Dir auch im Job: Du rennst nicht mehr der falschen Sache nach, wenn Du Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin prüfst und kommst dadurch schneller ans Ziel.

    2. Entwickle gesunde Meta-Überzeugungen

    Bist Du der Ansicht, dass Du Deine Meinung zu einer bestimmten Sache ändern solltest, wenn es neue Fakten dazu gibt? Deine Antwort auf diese Frage entspricht Deiner Meta-Überzeugung. Sprich: Meta-Überzeugungen zeigen auf, wie Du über das Korrigieren von Überzeugungen denkst.

    In ihrer Arbeit aus dem Jahr 2020 erklärten Gordon Pennycook und sein Team, dass „Überzeugungstheorien berücksichtigen sollten, was Menschen darüber glauben, wann und wie sie Überzeugungen und Meinungen ändern sollten – wir sprechen dann von Meta-Überzeugungen“.

    Das Team fand heraus, dass Menschen, die politisch liberal eingestellt sind, eher die Meinung vertreten, dass sich Meinungen und Überzeugungen aufgrund von (neuen) Fakten ändern sollten. Religiöse oder verschwörerische Menschen sind seltener der Meinung, dass sich ihre Überzeugungen ändern sollten.

    Die Entwicklung von Meta-Überzeugungen hängt stark mit der mentalen Immunität zusammen. Um Dein mentales Immunsystem zu stärken, solltest Du bereit sein, bestehende Überzeugungen zu hinterfragen und neu zu justieren, wenn neue Fakten ans Licht kommen. Auf diese Weise korrigierst Du Deine Meinungen laufend auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse.

    3. Übe Dich in Selbstreflexion

    Selbstreflexion ist essenziell im Leben. Achte auf Deinen Nachrichtenkonsum. Wenn Du feststellst, dass Du stets dieselben Nachrichtenquellen konsumierst oder Dich ausschließlich auf Influencer oder Social-Media-Plattformen verlässt, um Dich auf den neuesten Stand zu bringen, ist Dein Informationskonsum möglicherweise nicht abwechslungsreich genug.

    Um Deine geistige Nahrung zu verbessern, solltest Du Deine Informationsquellen diversifizieren und die zugrundeliegende Information genauer prüfen. So bemerkst Du rascher, wenn Du mit Falschinformationen gefüttert wirst.

    Und nicht zuletzt sollst Du die Tipps beachten, die ich Dir in meinem Artikel „Wie Du trotz des aktuellen Weltgeschehens mental gesund und produktiv bleibst“ gebe.

    12 weitere Tipps für mentale Immunität

    Professor Andy Norman, welcher den Begriff „mentale Immunität“ begründete, führt zwölf weitere Tipps an, die Du beachten solltest:

    1. Stelle Fragen.
    2. Sei Dir bewusst, dass der Verstand kein passiver Wissensspeicher ist.
    3. Überwinde die selbstgefällige Vorstellung, dass Du ungeachtet der Fakten ein Recht auf Deine eigene Meinung hast.
    4. Unterscheide zwischen gutem und schlechtem Wissen.
    5. Verabschiede Dich von der Vorstellung, dass es beim Lernen immer nur darum geht, zum bereits bestehenden Wissen etwas hinzuzufügen.
    6. Neue Informationen sind wie Puzzleteile; Du musst herausfinden, wo sie hinpassen und wie sie zusammenhängen.
    7. Unterbrich Aussagen, die Dir nicht gefallen, nicht mit „Wer weiß das schon mit Sicherheit?“.
    8. Verabschiede Dich von der Vorstellung, dass Werturteile nicht objektiv sein können.
    9. Betrachte Einwände hinsichtlich Deiner Überzeugungen nicht als Bedrohung, sondern als Chance.
    10. Befriedige Dein Bedürfnis nach Zugehörigkeit in einer Gemeinschaft des Forschens und nicht in einer Gemeinschaft des Glaubens.
    11. Erweitere Dein Verständnis von begründeter Meinung: Die Vorstellung, dass ein guter Grund eine Meinung ausreichend rechtfertigt, ist ein Irrtum.
    12. Unterschätze nicht den Wert von Ideen, die den Test der Zeit bestanden haben.

    Interview mit Andy Norman über mentale Immunität

    Auf seiner Webseite beantwortet Andy Norman ein paar Fragen rund um das mentale Immunsystem. Die wichtigsten Antworten habe ich hier für Dich – im Sinne einer Zusammenfassung dieses Artikels – herausgepflückt und übersetzt.

    Was ist ein mentales Immunsystem?

    Der Verstand verfügt über Ressourcen, um schlechte Informationen zu erkennen und zu entfernen. Fähigkeiten zum kritischen Denken zum Beispiel. Neugierde, Offenheit und Gerechtigkeit sind ebenfalls wichtige Eigenschaften. Gemeinsam sorgen diese Eigenschaften dafür, dass der Verstand möglichst frei von Parasiten bleibt. (Denn schlechte Informationen sind Parasiten im Kopf.) Wir könnten noch viel mehr tun, um das Auftreten von Unvernunft zu verhindern. Der erste Schritt besteht jedoch darin, das mentale Immunsystem als das zu sehen, was es ist: ein entscheidender Faktor für das menschliche Wohlbefinden.

    Kann eine Kultur ein Immunsystem haben?

    Ja! Jede Kultur und Subkultur verfügt über Möglichkeiten, die Verbreitung schlechter Informationen zu bremsen. Faktenchecker, investigativer Journalismus, die Regeln des kritischen Diskurses – all das sind Elemente eines kulturellen Immunsystems. Einige Subkulturen verfügen über ein sehr leistungsfähiges Immunsystem (z. B. die Wissenschaft). Andere Subkulturen haben ein stark geschwächtes Immunsystem (z. B. QAnon). Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist folgende: Wie können wir unsere neue, mit dem Internet vernetzte globale Kultur hochgradig resistent gegen mentale Infektionen machen?

    Was ist eine mentale Impfung?

    Ein körperlicher Impfstoff lehrt das körpereigene Immunsystem, wie es einen Erreger erkennen kann. Eine mentale Impfung lehrt Deinen Verstand, wie Du einen mentalen Erreger erkennst. Ein Beispiel: Wenn Du lernst, dass zwei Dinge zusammenhängen können, ohne dass das eine das andere verursacht, kannst Du Deinen Verstand davon befreien, vorschnell bestimmte falsche Schlüsse zu ziehen.

    Wie kannst Du das mentale Immunsystem stärken?

    Es gibt viele Möglichkeiten, die mentale Immunität zu stärken! Du kannst Regeln für verantwortungsbewusstes Denken anwenden. Du kannst nach Beweisen fragen. Du kannst Menschen sanft und unterstützend ermutigen, ihre Überzeugungen zu überprüfen. Du kannst den Menschen helfen zu verstehen, dass das „richtige Gefühl“ keine Garantie dafür ist, dass etwas wahr ist. Oder gut für einen selbst. Oder gut für andere.

    Die mentale Immunologie weist auf Möglichkeiten hin, die wir lange übersehen haben: Du kannst lernen, mentale Parasiten zu erkennen; Du kannst Dich von immunschwächenden Informationen fernhalten; Du kannst die verschiedenen Arten von mentalen Immunstörungen verstehen und lernen, sie zu vermeiden. Du kannst den Verstand gegen Falschinformationen und Propaganda impfen. Du kannst Dich gegen Verschwörungstheorien schützen. Die Möglichkeiten sind grenzenlos!

    Schlusswort

    Nach über 70 Jahren psychologischer Forschung hat sich herausgestellt, dass unser Verstand ein Immunsystem hat, das uns bis zu einem gewissen Grad vor gefährlichen Inhalten schützt. Du hast verschiedene Möglichkeiten, dieses Immunsystem zu stärken. Indem Du geprüfte Informationen konsumierst, die auf wissenschaftlichen Fakten beruhen, machst Du bereits einen ersten wichtigen Schritt.

    Beim Schreiben meiner Artikel hier auf andreashobi.com gewährleiste ich genau das: Du sollst hier ausschließlich Artikel finden, die wissenschaftlich fundiert sind. Im Gegensatz zu vielen anderen – meist sehr oberflächlichen – Artikeln, die Du im Internet und auf Nachrichtenseiten findest, gehen meine Artikel mehr in die Tiefe. Dadurch erhältst Du nachhaltigere und wertvollere Tipps, als andernorts. Während viele Journalisten ihre Artikel in 20 bis 30 Minuten schreiben, arbeite ich ohne Weiteres bis zu zwanzig Stunden an einem Text – im Wissen, wie wertvoll Deine Lesezeit ist und in der Hoffnung, dass Du die deutlich höhere Qualität bemerkst. Hinter diesem Artikel zum Beispiel stecken (inklusive Recherche, Faktencheck und Lektorat) rund 9 Stunden Arbeit.

    Mein Anspruch ist es, dass alle Aussagen wissenschaftlich korrekt und auf dem neuesten Stand sind. Denn inzwischen haben sich viele Irrtümer und Mythen zu Zeit- und Selbstmanagement verbreitet. Mit meinem Fachwissen stelle ich zu jeder Zeit sicher, dass ich Artikel schreibe, die dem neuesten wissenschaftlichen Stand entsprechen. Kein Halbwissen, sondern echte Fakten.

    Ich weiß, dass es bei der heutigen Informationsflut nicht immer leicht ist, den Überblick zu bewahren. Deshalb ist es mein Ziel, dass Du hier alle Informationen in konzentrierter Form findest.


    Dieser Artikel von Andreas Hobi ist lizenziert unter CC BY-SA 4.0


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