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Wie ein Unternehmen mit 2’100 Mitarbeitenden alle Meetings und E-Mails erfolgreich abschaffte

Möglicherweise gehörst Du auch zu den Menschen, die Meetings und E-Mails zwar nicht toll finden, aber als notwendig erachten. Und möglicherweise kannst Du Dir deshalb nicht vorstellen, dass es auch in Deinem Unternehmen möglich ist, diese Dinge einfach abzuschaffen. Ich bin überzeugt: Nach dem Lesen dieses Artikels wirst Du anderer Meinung sein.

Inhaltsverzeichnis

Das Medienunternehmen, welches Meetings und E-Mails abschaffte

Das Medienunternehmen TheSoul Publishing machte etwas, das ich höchst spannend finde: Es schaffte Meetings und E-Mails ab! Damit will das Unternehmen Ablenkungen minimieren und sicherstellen, dass die Mitarbeitenden ihre Zeit mit konzentrierter Arbeit verbringen.

Als eines der weltweit größten und bekanntesten Online-Medienunternehmen erreicht TheSoul Publishing mehr als eine Milliarde Social-Media-Abonnenten auf den weltweit populärsten Plattformen wie Facebook, Instagram, Pinterest, Snap, TikTok und YouTube – und das in 19 Sprachen und mit 2’100 Mitarbeitenden in 70 Ländern.

Natürlich entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass TheSoul Publishing einerseits möchte, dass ihre Mitarbeitenden ohne Ablenkungen arbeiten können, andererseits aber Social-Media-Inhalte anbietet, welche für viele andere Menschen genau eine solche Ablenkung darstellen. Aber um diesen Widerspruch soll es in diesem Moment nicht gehen.

Wie kann es also sein, dass ein so stark vernetztes und international tätiges Unternehmen auf Meetings verzichten und trotzdem funktionieren kann? Und wie klappt die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden ohne E-Mails? In diesem Artikel zeige ich Dir auf, wie das geht und wie auch Du Dein Team dank asynchroner Kommunikation deutlich produktiver machst.

Zuerst jedoch eine Begriffserklärung. Im letzten Abschnitt hast Du den Begriff „asynchrone Kommunikation“ gelesen. Wikipedia definiert diesen Begriff wie folgt:

Insbesondere im beruflichen Kontext bietet asynchrone Kommunikation das Potenzial von Effizienzsteigerungen gegenüber synchroner Kommunikation. Der Informationsempfänger benötigt die Informationen häufig nicht in dem Moment, in dem Sie durch den Sender zu Verfügung gestellt werden. In einer asynchronen Kommunikationsform werden die Informationen zentral zur Verfügung gestellt und durch den Empfänger bei Bedarf abgefragt. Dieses Konzept bietet die Möglichkeit z. B. die Anzahl von Meetings zu reduzieren.

Ich sprach die asynchrone Kommunikation in meinem Artikel Mehr Erfolg dank Effektivität und Effizienz bereits kurz an. Dort schrieb ich:

Mit asynchroner Kommunikation bieten wir den Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihren Arbeitstag so zu strukturieren, wie er am besten zu ihrer Arbeitsweise, ihrem Lebensstil und ihrem Biorhythmus passt. Und deshalb sind die Mitarbeitenden produktiver. Die Mitarbeitenden lernen, klarer und durchdachter zu kommunizieren und unnötiges hin-und-her in der Kommunikation zu vermeiden. Sie haben Zeit, ein Problem durchzudenken. Ein weiterer Vorteil: Die asynchrone Kommunikation geschieht schriftlich. Damit ist die Kommunikation auch gleich dokumentiert, die Mitarbeitenden können später wieder darauf zugreifen und jeder sieht, wie Entscheidungen zustande kamen.

Bevor wir nun aber zur konkreten Umsetzung der asynchronen Arbeitsweise kommen, ein paar Worte zu den Nachteilen der synchronen Arbeitsweise, wie sie leider nach wie vor in den meisten Unternehmen gelebt wird.

Das Problem von Meetings, E-Mails und der synchronen Arbeitsweise

Als die Coronakrise 2020 losging, bekundeten viele Unternehmen Mühe mit dem Homeoffice. Einer der Hauptgründe lag darin, dass sie sehr stark von synchroner Kommunikation abhängig sind. Die Ursache dafür: Sie haben falsche Strukturen und es fehlt den Mitarbeitenden an Selbstmanagementfähigkeiten.

Videokonferenzen waren ein willkommener Ersatz für persönliche Zusammenkünfte. Insbesondere zu Beginn, als viele Mitarbeitende und Vorgesetzte noch Mühe hatten mit den Tools und es infolgedessen zu witzigen Situationen kam. Konkret erinnere ich mich da – wenn auch nicht aus eigener Erfahrung – an Kinder, die Teil der Übertragung sein wollen oder Mitbewohner, die bauchfrei, ohne Hosen oder gar nackt ins Bild laufen.

Doch auch als alle die Technik im Griff hatten und wussten, wie sie die Kamera und das Mikrofon ein-/ausschalten, funktionierte die Sache mit den Videocalls nur bedingt, wie die Unternehmen und Mitarbeitenden feststellten. Denn auch Videokonferenzen sind synchrone Kommunikation.

Eine von Asana in Auftrag gegebene Studie bestätigte die Problematik: Oft ersetzten die Mitarbeitenden selbst beiläufige Unterhaltungen im Büro (beispielsweise, um die Mitarbeiter schnell auf den neuesten Stand zu bringen) durch unnötige Videocalls – mit einem hohen Preis: Demnach fraßen Meetings im vergangenen Jahr 157 Stunden individuelle Produktivarbeit. Zeit, die Du besser nutzen kannst.

Störungen des Arbeitsablaufs

Meine Erfahrung ist: Die meisten Unternehmen halten es für unumgänglich, dass ihre Mitarbeitenden bei der Arbeit laufend abgelenkt oder unterbrochen werden. Sie betrachten dies als Bestandteil der täglichen Arbeit. Dabei geht vergessen, dass durch diese synchrone Arbeitsweise und Kommunikation nicht nur der Gesprächspartner in seinem Arbeitsablauf gestört wird, sondern auch Mitarbeitende in unmittelbarer Hörweite. In Zeiten von Großraumbüros wird synchrone Kommunikation damit immer mehr zum Störfaktor.

Und das ist genau einer der Punkte, die ich nicht vermisse, seit ich Ende 2020 das gewohnte Büroleben hinter mir gelassen habe. Regelmäßig tauchten dort Leute unangekündigt an meinem Schreibtisch auf und suchten das Gespräch, ohne Rücksicht auf das, was ich in dem Moment gerade tat.

Ich muss aber gestehen, dass ich es umgekehrt häufig auch so machte; ganz einfach aus dem Grund, weil das die Art und Weise war, wie in diesem Unternehmen gearbeitet wurde. Wer etwas wollte, beschaffte sich das sofort; entweder per Telefon oder noch besser, indem man beim entsprechenden Schreibtisch vorbeischaut. Dass dies die Gesamtproduktivität des Unternehmens minderte, war nebensächlich.

Meetings und E-Mails sind ineffizient

In einem Interview mit der Zeitschrift FastCompany bezeichnete Arthur Mamedov, COO von TheSoul Publishing, Meetings als „ineffizient“. Dies sei unter anderem deshalb der Fall, da die geteilten Informationen nicht für alle Teilnehmenden immer von gleicher Relevanz seien.

Auch das erinnert mich an einen früheren Arbeitgeber. Dort war es üblich, bei großen Projekten regelmäßig alle Beteiligten zusammenzutrommeln, um den aktuellen Stand zu besprechen. Das waren ohne Weiteres bis zu 15 Personen. Wenn nun jeder für sein Statusupdate und die anschließende Besprechung 10–15 Minuten benötigt, dauert so eine Sitzung schnell mal drei bis vier Stunden. Von diesen drei bis vier Stunden waren für meinen Aufgabenbereich und mich aber häufig nur 30 – 45 Minuten von Relevanz. Da diese relevanten Informationen aber über die drei bis vier Stunden verteilt waren, konnte ich nicht einfach nur für die relevanten Informationen ins Meeting kommen und die restliche Zeit außerhalb des Sitzungszimmers produktiv nutzen. Stattdessen musste ich oft die ganzen Stunden „absitzen“.

Effizienter wäre es, diesen Informationsaustausch über geeignete digitale Tools vorzunehmen. Die Verlagerung des Informationsaustauschs auf schriftliche Formate ermöglicht es den Teilnehmenden, sich in ihrem eigenen Tempo auf den neuesten Stand zu bringen und genau die Informationen herauszupicken, die für den einzelnen Arbeitsbereich relevant sind.

Je häufiger Meetings am Tag stattfinden, desto mehr fragmentieren sie den Tag der Teilnehmenden in immer kleinere und deshalb kaum noch produktive Einheiten. Wie sollen wir uns ernsthaft einer Aufgabe widmen, wenn wir zwischen zwei Meetings, in denen kaum etwas Neues besprochen wird, nur eine oder knapp zwei Stunden Zeit haben? Der oft beschworene Flow kann hier unmöglich erreicht werden.

Dabei wusste schon der bekannte Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik:

„Der »Sitzungszirkus«, der in so vielen Organisationen zu beobachten ist, ist ein starkes Indiz dafür, dass mit der Organisation etwas nicht stimmt. Wenn für die Erledigung jeder Angelegenheit immer acht oder zehn Leute zusammenkommen müssen – weil man so organisiert ist –, um sich zu koordinieren und abzustimmen, bevor überhaupt etwas getan werden kann, dann ist man falsch organisiert.“

Weniger Meetings bedeutet, dass Du den Arbeitsalltag flexibler einteilen kannst und nicht nur um Termine herum arbeiten musst. Statt zu einem festen Termin ein Statusupdate zu liefern, dokumentierst Du den aktuellen Stand fortlaufend an zentraler Stelle. Hierfür gibt es Tools wie Confluence, Trello oder Jira von Atlassian oder Asana.

Vielerorts gibt es noch Informationssilos

Viele Unternehmen schaffen Anreize, jederzeit präsent und vor Ort verfügbar zu sein. Wenn Du nicht im Büro bist, laufen Diskussionen weiter, ohne dass Du eine Möglichkeit hast, von den geteilten Informationen zu profitieren. Um wichtige Entscheidungen und Diskussionen nicht zu verpassen, versuchst Du, immer anwesend zu sein und an so vielen Besprechungen wie möglich teilzunehmen. Das beeinträchtigt sowohl Wohlbefinden als auch Produktivität.

Die Abschaffung von Meetings und E-Mails hat zur Folge, dass die Informationen zentral und transparent in einem dafür bereitgestellten Tool ausgetauscht werden. Diese radikale Transparenz ist zu Beginn für viele Mitarbeitende ungewohnt, wie Mamedov jeweils feststellt, wenn er bei TheSoul Publishing neue Mitarbeitende einstellt. Im Interview mit FastCompany erzählt er, dass er den neuen Mitarbeitenden dann folgendes aufzeige: „E-Mails sind das Gegenteil von Transparenz. Der Austausch ist nur innerhalb der Gruppe sichtbar. Jeder, der Zugang zu den Informationen benötigt, sollte sie erhalten können, um sicherzustellen, dass alle auf dem gleichen Stand sind.“

Deshalb müssen Informationen aus seiner Sicht auf einer Plattform geteilt werden, die allen den gleichen Zugang ermöglicht. „Man kann nicht erwarten, dass die Leute als Team arbeiten, wenn sie nicht auf dem gleichen Stand sind“, sagt Mamedov. Und er fügt hinzu, er erhalte von neuen Mitarbeitenden oft die Rückmeldung, das Modell ohne Meetings und E-Mails sei anfangs ungewöhnlich und stressig. Sobald sie sich aber daran gewöhnt hätten, fühlten sie sich befreit, weil ihre Produktivität in die Höhe schnelle.

Synchrone Kommunikation führt oft zu Missverständnissen

Eine synchrone Kommunikation kann zu unbedachten Äußerungen oder Missverständnissen führen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow war nicht die erste Person und wird auch nicht die letzte Person gewesen sein, die das an der eigenen Haut zu spüren bekam: In der App Clubhouse – die auf synchroner Kommunikation beruht – erzählte er vor über eintausend Zuhörern, er habe während der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Coronakrise das Handy-Spiel „Candy Crush“ gespielt und sich um zehn Level verbessert. Später sagte Ramelow, seine Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Doch zu diesem Zeitpunkt war das Unheil schon angerichtet und ein Shitstorm unvermeidlich.

Hätte Ramelow seine Äußerungen nicht mündlich, sondern schriftlich gemacht, wäre der Schaden womöglich kleiner gewesen. Er hätte auf diese Weise den Kontext besser aufzeigen können und alle hätten seine gesamte Aussage lesen – und damit vielleicht auch nachvollziehen – können.

Angestellte hingegen, die asynchron arbeiten, empfinden die Kommunikation als klar und effektiv, wie drei Mitarbeitende von GitLab in einem Artikel schreiben. Es gibt selten Missverständnisse, und die Mitarbeiter können leicht auf frühere Konversationen oder eine Projektübersicht zurückgreifen, um eine Aufgabe oder Anfrage zu überprüfen. Man hört nie: „Ich dachte, Sie hätten mir gesagt …“ oder „Ich hatte den Eindruck“.

Wie asynchrone Kommunikation funktioniert

Kommen wir nun zur konkreten Umsetzung der asynchronen Arbeitsweise.

In der neuen Arbeitswelt kannst Du nicht mehr davon ausgehen, dass alle Mitarbeitenden zur gleichen Zeit an ihren Schreibtischen sitzen. Einige arbeiten vielleicht spät abends, andere früh morgens. Darüber hinaus könnten die Betreuung der Kinder oder andere Aufgaben zu berücksichtigen sein. All dies führt zu einer klaren Erkenntnis in Sachen Teamwork: Es ist aufwendig und stressig, alle für ein Meeting zusammenzubringen. Und genau da liegt der Vorteil der asynchronen Kommunikation. Diese verlangt nämlich nicht, dass alle Kollegen zur gleichen Zeit arbeiten.

Es gibt – nebst TheSoul Publishing – viele Unternehmen, die zeigen, wie die asynchrone Arbeitsweise erfolgreich umgesetzt werden kann. Darunter zum Beispiel Doist, Gitlab oder Zapier.

In den folgenden Abschnitten zeige ich Dir auf, wie diese Unternehmen es machen.

Asynchrone Kommunikation = Respekt vor der Zeit der Anderen

Einer der Hauptgründe für eine asynchrone Kommunikation ist der Respekt gegenüber der Zeit und dem Fokus anderer Leute. Nach Gloria Mark von der Universität von Kalifornien dauert es 23 Minuten, um nach einer Störung wieder auf dem gleichen Leistungsniveau wie zuvor zu sein. Wenn Du abgelenkt wirst, musst Du Deine Gedanken auf ein komplett anderes Feld richten und benötigst Zeit und geistige Leistung, um wieder gleich produktiv an der ursprünglichen Aufgabe weiterzuarbeiten.

Außerdem müssen Führungskräfte erkennen, dass Mitarbeitende unterschiedlich arbeiten. Wenn Du eine Besprechung genau zu der Zeit planst, in welcher Dein Gegenüber am produktivsten ist, hat das Auswirkungen auf dessen Arbeitsergebnisse und damit auf den Erfolg des Unternehmens.

Wenn Du früh am Tag produktiv ist und in diesem Zeitfenster zu einem Meeting eingeladen wirst, kann dies Deinen Arbeitsablauf stören. Die Opportunitätskosten für eine Besprechung sind in diesem Fall sehr hoch und aus Unternehmenssicht kann diese Besprechung mehr schaden als nützen. Als Mitarbeiter solltest Du die Möglichkeit haben, Dein Bestes zu geben, aber die Zerstückelung des Arbeitstages durch Gesprächsblöcke kann dies unmöglich machen.

Coda Hale schreibt diesbezüglich auf seinem Blog:

„Eine wesentliche Quelle für den Bedarf an Meetings und Statusupdates ist der Wunsch der Führungskräfte, auf dem Laufenden zu bleiben, wer was macht. Dieses Wissen über die Situation ist in der Tat wichtig. Der Versuch aber, es durch das Einberufen von Meetings, das Versenden von Nachrichten auf Slack oder das Ansprechen von Mitarbeitenden auf dem Flur sicherzustellen, ist ein erheblicher Bremsklotz für die Produktivität der Organisation.

Viel besser ist es, Statusupdates als Teil der regelmäßigen Arbeitsabläufe für alle transparent zu publizieren. Führungskräfte können diese Updates asynchron lesen und bei Bedarf Fragen stellen oder Feedback zu geben.“

Asynchrone Kommunikation führt zu mehr Verbindlichkeit

Durch geschriebene Nachrichten haben wir eine Überprüfbarkeit und Verbindlichkeit der geteilten Informationen. Gerade für Dokumentationszwecke ist es sinnvoll, asynchron zu kommunizieren. Wenn das Team asynchron arbeitet, können Diskussionen nachgelesen oder zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt werden. Zudem schafft es Verbindlichkeit, wenn die Mitarbeitenden ihre Termine, Aufgaben und Verantwortungen schriftlich vereinbaren.

Wolf Schneider, der ehemalige Leiter der Hamburger Journalistenschule, sagte, die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass man einer Minute des Lesens mehr Informationen entnehmen könne als einer Minute des Zuhörens – außer der Text würde vorgelesen. Hinzu kommt, dass bei etwas Niedergeschriebenem jeder seine Inputs und Verbesserungen einbringen kann und das Dokument damit an Wert gewinnt. Deshalb ist eine schriftliche Kommunikation häufig besser als etwa eine Sitzung.

Asynchrone Kommunikation führt zu höherer Produktivität

Viele Führungskräfte spielen inzwischen mit dem Gedanken, sich für ein mobiles und ortsungebundenes Arbeitsmodell zu öffnen. Das ist nicht erstaunlich, denn inzwischen hat sich herumgesprochen: Menschen, die ortsungebunden arbeiten, sind produktiver als Menschen, die an ein bestimmtes Büro gebunden sind. Das zeigen Studien wie diese, diese oder diese.

Kaum jemand macht sich aber Gedanken über eine Arbeitskultur, die auf Asynchronität setzt. Zwar sehe ich ortsungebundenes Arbeiten als zukunftsweisend, asynchrone Kommunikation halte ich jedoch für bedeutender in Hinblick auf Produktivität, unabhängig davon, ob die Mitarbeitenden dezentral organisiert sind oder nicht. Schließlich gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass durch den erhöhten Aufwand bei der Echtzeit-Kommunikation die Konzentration leidet.

Weitere Vorteile der asynchronen Kommunikation

Im Folgenden führe ich einige Gründe dafür auf, die Kunst der schriftlichen Kommunikation in einem Unternehmen zu forcieren:

  • Text ist inklusiv und erfüllt damit die Anforderungen der Behindertengleichstellungsgesetze (kann durch Text-to-Speech-Tools vorgelesen oder durch entsprechende Programme in die Muttersprache des Empfängers übersetzt werden)
  • Text ist durchsuchbar
  • Mitarbeitende können arbeiten, wann und wo sie wollen
  • eine bewusste Denk- und Bearbeitungszeit wird ermöglicht
  • Informationen sind für alle jederzeit und an jedem Ort verfügbar
  • Text kann strukturiert und formatiert werden, um einen Gedankengang nachvollziehbar darzustellen

Wie die asynchrone Arbeitsweise konkret umgesetzt werden kann

Der einfachste Weg, in eine asynchrone Denkweise einzusteigen, ist, sich die Frage zu stellen: „Wie würde ich diese Nachricht überbringen, diese Arbeit präsentieren oder dieses Projekt jetzt vorantreiben, wenn niemand sonst in meinem Team oder in meiner Firma wach wäre?“ Dadurch beseitigst Du die Versuchung, synchrone Abkürzungen zu nehmen oder ein Meeting einzuberufen.

Die Art und Weise, wie Mitarbeitende kommunizieren, ist Teil der Unternehmenskultur. Der Wechsel zu einer asynchronen Arbeitsweise erfordert jedoch einen tief greifenden Wandel in Bezug auf Tools, Prozesse und Gewohnheiten. Damit setzt eine Veränderung der Unternehmenskultur voraus. Und dies ist nicht von heute auf morgen möglich.

Weiters benötigt ein Unternehmen für die Abschaffung von Meetings und E-Mails geeignete Systeme zur Unterstützung der Arbeitsabläufe und ganz klare Kommunikationsprinzipien. Die Schlussfolgerung daraus: Führungskräfte können nicht einfach über Nacht einen Schalter umlegen; sie müssen zunächst transparente und asynchrone Kommunikationsprozesse in ihrem Unternehmen einrichten.

Es reicht nicht aus, einfach keine Besprechungen mehr durchzuführen. Das Unternehmen muss auch interne E-Mails abschaffen, ein Projektmanagement einrichten und eine Kultur schaffen, in der die Vorgehensweise klar festgelegt ist. Erst wenn es diese Schritte erfolgreich umgesetzt hat, kann es damit rechnen, dass die „No-Meetings“-Politik zu positiven Ergebnissen führt.

Und ganz wichtig, damit die Umsetzung gelingt: Mitarbeitende, die weiterhin physisch im Unternehmen anwesend sind, dürfen keinen Vorteil davon haben, im Büro zu sein. Nur wenn wirklich sämtliche vorhandenen Informationen digital vorliegen, kann die asynchrone Arbeitsweise funktionieren. Solange sich die Mitarbeitenden einen Vorteil davon versprechen, weiterhin bilateral mit den anderen Mitarbeitenden kommunizieren zu können, funktioniert es nicht.

Wie asynchrone Mitarbeiteranlässe umgesetzt werden können

Rae Ringel beschreibt in ihrem Artikel „Collaboration – When Do We Actually Need to Meet in Person?“, dass sich der asynchrone Ansatz hervorragend für interne Informationsveranstaltungen und Mitarbeiteranlässe eignet. So hat zum Beispiel eine ihrer Kunden die monatliche Mitarbeiterbesprechung durch ein aufgezeichnetes Video ersetzt, das die Mitarbeiter wann und wo sie wollen ansehen können. Wenn sie etwas nicht verstanden haben, können sie zurückspulen. Dieser Ansatz hat zudem den Vorteil, den verschiedenen Lerntypen entgegenzukommen.

Die Mitarbeitenden werden gebeten, das Video bis zu einem bestimmten Datum anzuschauen und allfällige Fragen im entsprechenden Tool zu stellen, wo alle Mitarbeitenden Zugriff auf die Fragen und Antworten haben.

Kommuniziere asynchron, auch wenn es eilt!

Viele Unternehmen und Mitarbeitende rechtfertigen den Verzicht auf eine transparente Dokumentation damit, dass das hektische Arbeitstempo ihnen keine Zeit dafür lässt. Sich die Zeit zu nehmen, eine Lösung zu dokumentieren, steht möglicherweise nicht an erster Stelle und kann leicht vernachlässigt werden.

Dies führt dazu, dass die immer wieder gleichen Informationen und Dateien mehrmals synchron ausgetauscht werden müssen. Im großen Maßstab ist dies ein außerordentlich verschwenderischer Prozess, der zu Erschöpfung, verwässerten Anweisungen und erheblichen Wissenslücken führt. Letzteres insbesondere dann, wenn Mitarbeitende mit viel Wissen das Unternehmen verlassen.

Wie oben erwähnt, muss das Unternehmen seine Kultur verändern, damit die Mitarbeitenden asynchron arbeiten. Die meisten Mitarbeiter sind jedoch nicht dazu befähigt, die Unternehmenskultur zu ändern; das muss von der Unternehmensführung kommen. Notgedrungen bauen die Mitarbeitenden die Fähigkeit auf, genau zu wissen, wie und wann sie andere Menschen fragen müssen, um an Informationen zu gelangen, die für das Erreichen ihrer Ziele wichtig sind. Die Mitarbeiter wissen, dass dies ein suboptimaler Ansatz ist, sehen aber keine vernünftige Alternative.

Das Motto der asynchronen Arbeitsweise muss lauten: „Der schwächste Bleistift ist besser als das schärfste Gedächtnis.“ Alle Mitarbeitenden müssen sich bemühen, Dinge aufzuschreiben und alles zu dokumentieren, von Besprechungsnotizen bis zu Quartalszielen. Alles zu dokumentieren ermöglicht eine stärkere, vertrauensvollere und vernetztere Zusammenarbeit im Unternehmen.

Und außerdem benötigt die Schriftlichkeit nicht mehr Zeit, sondern weniger. Sie spart Zeit. Fredmund Malik schreibt dazu:

Die Schriftlichkeit, gerade die elektronische, macht unabhängig von persönlicher Anwesenheit. Das Wichtigste aber: Die Schriftform gibt Gelegenheit, ja sie zwingt dazu, nachzudenken.

Wenn aus asynchroner Kommunikation plötzlich wieder synchrone Kommunikation wird

Wenn Dich der Signalton für eingehenden E-Mails jedes Mal aus Deiner Konzentration reißt und Du Deine aktuelle Arbeit zur Beantwortung der E-Mails unterbrichst, wird auch die E-Mail zu einem synchronen Kommunikationsmittel. Eine Studie von Yahoo Labs ergab, dass die Reaktionszeit auf E-Mails in der Regel nur zwei Minuten beträgt.

Hilfreich ist es deshalb, Benachrichtigungen für Nachrichten jeglicher Art auszuschalten und diese nur in bestimmten Zeiträumen abzurufen. Genau so, wie ich es im Artikel Einfacher geht es nicht: 48 Produktivitätstipps in nur 3 Minuten beschrieb. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Mitarbeitenden rasch wieder in alte Muster zurückfallen und die für die asynchrone Kommunikation gedachten Tools in Echtzeit nutzen – zum Teil auch, weil sie der Ansicht sind, dies werde vom Unternehmen so erwartet. Deshalb ist hier die Führungsetage gefragt; diese muss klare Richtlinien vorgeben, wie im Unternehmen kommuniziert und gearbeitet wird und gegen Verstöße vorgehen.

Wenn die Mitarbeitenden nicht über jede eingehende Nachricht sofort Bescheid wissen müssen, können sie längere ungestörte Zeitblöcke einplanen. Auf diese Weise können sie Aufgaben erledigen, die den größten Wert für das Unternehmen schaffen.

Wann und wo die synchrone Arbeitsweise Sinn ergibt

Trotz aller Vorteile der asynchronen Arbeitsweise: Wenn ein asynchrones Hin und Her zwischen zwei Personen sehr langsam voranschreitet, führt manchmal eine kurze synchrone Besprechung zu einer schnelleren Lösung. Und damit zurück zu Mamedov und TheSoul Publishing. Auch dort kann es vorkommen, dass ausnahmsweise synchron kommuniziert und ein Meeting einberufen wird: „Wir haben ein zweiseitiges Handbuch, in dem beschrieben wird, wie man ein Meeting anberaumt, aber damit es stattfindet, müssen die Mitarbeitenden ein sehr strenges Protokoll befolgen“, sagt er.

Zunächst müssen die Mitarbeitenden versuchen, das Problem ohne eine Besprechung zu lösen, indem sie die digitalen Tools des Unternehmens nutzen. Wenn die Mitarbeitenden einen Punkt erreichen, an dem sie in einer asynchronen Arbeitsweise nicht weiterkommen, muss die Person, die eine Besprechung wünscht, vorher einen Plan und eine Agenda für die Besprechung erstellen. Die Einladung zum Meeting muss mindestens 24 Stunden im Voraus verschickt werden.

„Dann müssen die Mitarbeitenden sicherstellen, dass sie nur die Personen einladen, die wirklich teilnehmen müssen“, sagt Mamedov. „In der Regel versuchen wir, alle Treffen auf zwei Personen und maximal 30 Minuten zu beschränken. Nach der Besprechung protokolliert die Person, die sie einberufen hat, das Ergebnis öffentlich, damit alle davon profitieren können. Wenn die Besprechung über Zoom stattgefunden hat, wird die Aufzeichnung ebenfalls gepostet“, sagt Mamedov. „Mit einem solch umfassenden Vorbereitungsprozess drängen die Leute oft stärker darauf, Dinge ohne ein Meeting zu lösen. Und das ist das eigentliche Ziel.“

Generell solltest Du synchrone Kommunikation verwenden, wenn Folgendes zutrifft:

  • Du musst kritisches Feedback geben oder ein anderes sensibles Thema besprechen.
  • Eine kritische Situation tritt ein, die sofortige Aufmerksamkeit und Reaktion des Krisenstabs erfordert

Der Grundsatz dabei: Synchrone Kommunikation sollte die Ausnahme und nicht die Regel sein.

Fazit

Ein Arbeitsalltag fast ohne Meetings und E-Mails ist nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll. Davon konnte ich Dich mit diesem Artikel hoffentlich überzeugen. Einfach ist es aber nicht! Es setzt eine veränderte Unternehmenskultur voraus und die Mitarbeitenden müssen von Beginn an ins Boot geholt werden.

Der Aufwand lohnt sich aber und zahlt sich mehrmals aus durch eine erhöhte Produktivität und Effizienz. Zudem sind Mitarbeitende, die ungestört und konzentrierter arbeiten können, weniger anfällig für Stress und Burn-out.

Ich hoffe, Du fandest in diesem Artikel ein paar Inputs, die Du nun in Dein Unternehmen mitnehmen kannst.


Dieser Artikel von Andreas Hobi ist lizenziert unter CC BY-SA 4.0


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    3 Gedanken zu „Wie ein Unternehmen mit 2’100 Mitarbeitenden alle Meetings und E-Mails erfolgreich abschaffte“

    1. Spannender Artikel und wohl vieles ist möglich. Gerade mit den Collaboration Tools wie Teams oder Trello – um nur zwei zu nennen.

      Wenn man aber gerade auch in agilen Umgebungen arbeitet sind eben die regelmässigen Meetings („daily stand up“) Teil der Methode und essentiell für den Erfolg.

      Und nicht vergessen darf man halt auch die nötigen Workshops um kreativ Lösungen zu erarbeiten. Asynchron wird das jeweils manchmal sehr langsam.

      1. Danke für Deinen Kommentar; das sind gute Punkte! Tatsächlich kann das Verhältnis von synchroner und asynchroner Kommunikation von Branche zu Branche unterschiedlich sein. Und in einem Start-up schaut es mit Sicherheit anders aus als in einem großen Industriekonzern.

        In agilen Umgebungen hilft vielleicht gerade das Daily Standup dabei, dass sich alle zu einem bestimmten Zeitpunkt konzentriert austauschen, so dass bilaterale Absprachen während des restlichen Tages reduziert werden und die Mitarbeitenden fokussiert an ihren Aufgaben arbeiten können.

    2. Ich kann mir auch ein asynchrones Daily Standup, ein Review und eine Retrospektive vorstellen. Gerade bei dem Review Meeting und der Retrospektive kann ich Vorteile sehen wenn die Kommunikation asynchron geschieht.

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